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Das Engagement um das Herzhäuschen-Areal


140 neue Wohnungen und mehr sind auf dem Gelände der ehemaligen Metallfabrik “Groten” entstanden. Ursprünglichen Plänen zufolge sollten sowohl das heutige “Café Herzhäuschen” als auch das weniger bekannte “Maler-Wirges-Haus” weichen. In engem Austausch mit allen Beteiligten konnten wir nicht nur die beiden Gebäude retten, sondern auch die Benennung des neu geschaffenen Veedel-Teils nach der ehemaligen Herzhaus-Bewohnerin Mathilde Herz anregen. Und auch für die Neugestaltung des Platzes rund um das Café haben wir hochwertige und innovative Ideen – für deren Umsetzung und den raschen Beginn der Arbeiten wir uns nach wie vor einsetzen.

Bickendorfs besondere Bebauung


Der Häuschensweg um 1920.

Die Altbauten in der Mitte Bickendorfs erinnern uns an die Vergangenheit und Geschichte unseres Ortes. An ihnen lässt sich die Stadtgeschichte ablesen und macht heute noch sichtbar, wo hinter der mittelalterlichen Kölner Stadtmauer die ersten dörflichen Ansiedlungen begannen.

Die Architektur Bickendorfs ist geprägt durch ausgedehnte Arbeitersiedlungen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden. Unter dem kölschen Motto „Lich, Luff und Bäumcher“ (Licht, Luft und Bäumchen) entstanden durch die Architektengruppe um Wilhelm Riphahn überwiegend Einfamilienhäuser, die zu Beginn vor allem von kinderreichen Familien bezogen wurden. Ergänzt wurden diese Bauten ab 1920 durch zahlreiche Ein- und Mehrfamilienhäuser durch die “Kölner Gartensiedlung”.

Die alten Gebäude gehören zur Identität unseres Veedels, weshalb wir sie erhalten und bestmöglich in die städtebauliche Planung und Quartiersentwicklung integrieren wollen. Die Neubebauung sollte den Charakter des vielen Grüns mit Wiesen, Bäumen und lauschigen Plätzchen ergänzen und erweitern, um dem Lebensgefühl der Bürgerinnen und Bürger und ihrem Willen zur Mitgestaltung ihres Viertels ist Rechnung zu tragen.

Das Herzhäuschen


Das Ringen um den Erhalt

Bei dem Haus „Häuschensweg 18“ handelt es sich um ein sogenanntes “Hausmannshaus” mit giebelständiger Lage zur Straße. Ursprünglich hatten Gebäude dieses Typs eine steinsichtige Backsteinmauerung, Stichbögen über den Fenstern und den typischen „Hausmanns-Giebel“. Dieser Haustyp war in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Kölner Vororten sehr verbreitet und passte zum dörflichen Charakter Bickendorfs.

Eigentlich sieht die Erhaltungssatzung Bickendorf vor, dass diese Gebäude geschützt werden. Dennoch sind die meisten dieser Häuser wurden mittlerweile durch mehrstöckige Wohngebäude ersetzt worden.

Um das Herzhäuschen vor diesem Schicksal zu bewahren, musste es paradoxer Weise zuerst abgerissen werden. Mit unserem Einsatz für den Erhalt des Gebäudes im Original-Zustand hatten wir leider keinen Erfolg. Die vorhandene Bausubstanz wurde von der Stadtverwaltung als zu marode angesehen.

Ein Werbeplakat der ehemaligen Firma “Groten” gewährt Einblick in den historischen Häuschensweg in Bickendorf.

Begehung und Abriss des Herzhäuschens

Klicken Sie sich durch unser Archiv – von der Begehung der Ruine und dem Abriss bis hin zu den Plänen des Wiederaufbaus:

Akribisch sammelten und katalogisierten wir die Steine des Abbruchs und bewahrten sie privat auf, bis der Aufbau des Hauses wieder vorangeschritten war.

Der Wiederaufbau des Herzhäuschens

Ein Teil der alten Herzhäuschen-Ziegel wurde genutzt, um die Traufwände des Herzhäuschens wiederherzustellen. Hierunter versteht man die Außenwände, die sich unterhalb der Traufe, also dem unteren Dachrandabschluss, befinden.

Ergänzend wurden Abbruchsteine im sogenannten “Reichsformat” aus dem 19. Jahrhundert daruntergemischt. Die Ziegelsteine wurden im Kreuzverband vermauert. Die neuen Traufwände werden mit den Giebelwänden verzahnt und die ursprünglichen Öffnungen (Haustüre und zwei Fenster) mit Stichbögen überspannt. Ein kleines, vorspringendes Gesims bildet heute wieder den Abschluss zur Traufe.

Durch diese einzigartige Mischung von alten Elementen und moderner Bautechnik entstand eine architektonische Fuge, die den Zwischenraum zu den mehrstöckigen Neubauten des dahinter liegenden Geländes gliedert und die Zwiesprache von Erinnerung und Fortschritt zum Ausdruck bringt.

Das Herzhäuschen als riesiger Stolperstein

Das gesamte Haus wirkt wie ein großer Stolperstein für den Auto- und Fußgängerverkehr. Doch nicht nur aus architektonischer Sicht hat das Herzhäuschen eine identitätsstiftende Bedeutung für Bickendorf. Es erinnert auch an den Holocaust, der immer in der Heimat begann – direkt bei uns, in der Nachbarschaft, um die Ecke, gegenüber. Und es erinnert an die Arisierung jüdischen Eigentums.

Seit 1992 macht der Künstler Gunter Demnig mit seinen Stolpersteinen sichtbar, was lange verdrängt wurde: Die Deportation und systematische Vernichtung von Menschen während des NS-Regimes.

Ab 1910 beherbergte das kleine Haus bis zu drei Generationen der Familie Herz auf engem Raum: Mathilde Herz lebte hier gemeinsam mit ihrem Ehemann Albert, ihren Söhnen Karl Sally und Benno sowie ihrer Schwiegertochter Marga und deren Sohn Harry. Ab 1940 kam dann erzwungenermaßen der ehemalige Schuhgroßhändler Carl Frankenstein hinzu, dem der Häuschensweg 18 als Wohnraum zugeteilt worden war.

Bald darauf wurde die Familie Herz enteignet, im Oktober 1941 von Köln-Deutz aus in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz) deportiert und 1942 im Vernichtungslager Kulmhof ermordet. Nur Mathildes Sohn Benno emigrierte 1938 in die USA, überlebte den Holocaust und musste später in einem zähen Rechtsstreit um die Rückerstattungsansprüche des Besitzes seiner Eltern kämpfen und aufwändig nachweisen, dass er Verfolgter des Naziregimes war. Mehr zur Familie Herz findet sich auf der Internetpräsenz des heutigen Café Herzhäuschen.

Das Ehepaar Frankenstein, welches das Herzhäuschen gern erworben hätte.

Bereits im Juli 1942 meldete der neue Mieter des Hauses Häuschensweg 18 sein Interesse am Erwerb der „Judenwohnung“ bei der Oberfinanzdirektion Köln an, nachdem er „hier mal Ordnung geschaffen habe“. Der Absender witterte seine Chance, preisgünstig an ein eigenes Häuschen zu kommen. Mit der späteren Rückkehr der jüdischen Besitzer rechnete offensichtlich niemand. Zum Verkauf kam es zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht. Die Behörde erhoffte sich vom Verkauf der Immobilie zu einem günstigeren Zeitpunkt mehr.

Das Haus wurde bis zum Verkauf an die Brüder Klaus und Kurt Groten im Jahr 2004 von mehreren privaten Eigentümern genutzt. Nach 2004 waren nur noch die Garagen auf dem Grundstück vermietet und das Gebäude dem Verfall preisgegeben, bis es nicht zuletzt durch die Initiative der Künstlerinnen und Künstler in Bickendorf gerettet und einer neuen Nutzung zugeführt werden konnte.

Mit diesem Brief wurde um den Kauf ersucht.

Das Herzhäuschen heute

Das “Herzhäuschen” ist heute den meisten als nachbarschaftlich geführtes Café bekannt. Der ursprüngliche Bebauungsplan bei der Neugestaltung des Geländes der alten “Groten-Blechfabrik” sah dieses geschichtsträchtige Gebäude der ehemaligen jüdischen Familie Herz nicht mehr vor.

Dass es diesen lebendigen Ort der Begegnung heute dennoch gibt, geht unter anderem auf das langjähige Engagement unserer Initiative sowie der Initiative “Kulturpfad Bickendorf” zurück.

Auf der Webseite des Cafés kann man sich über die wechselvolle Geschichte des Gebäudes, aktuelle Veranstaltungen und mehr informieren.

Das “Maler-Wirges-Haus”


Auch das Maler-Wirges-Haus (Häuschensweg 10) wurde auf unsere Initiative hin vor dem Abriss bewahrt. Es ist ein steinsichtiges, zweigeschossiges Bauernhaus aus dem 19. Jahrhundert mit asymmetrischem Anbau und einer typischen Einfriedung aus Mauerpfeilern und schmiedeeisernen Gittern:

Das Warten auf die Platzgestaltung


Ein Platz zum Gedenken

Mit dem Neubau des Geländes durch die GAG und der Einrichtung des Café Herzhäuschen entstand ein öffentlicher Raum mit der niederschwelligen Gelegenheit, sich mit der Geschichte des Ortes zu beschäftigen. Daher war es ein Herzensanliegen unserer Initiative, der Vergangenheit auch durch die Benennung der neuen Siedlung Rechnung zu tragen.

In Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln brachten wir die Benennungen „Am Herzhof“ und „Mathilde-Herz-Straße/Platz“ ins Spiel. Wir sind es diesen sechs Menschen schuldig, ihr Erbe zu bewahren. In Bickendorf steht kein anderes Haus aus ehemals jüdischem Besitz, das sich als Erinnerungs- und Mahnstätte an den Holocaust eignet wie das Herzhäuschen.

Frauennamen sind bis heute bei Straßenbenennungen in Köln stark unterrepräsentiert.

Der Bebauungsplan steht lange fest

Die Planungen sind schon fast 20 Jahre alt und auch seit der Fertigstellung der Wohnsiedlung ist nun einige Zeit vergangen. Doch noch immer hat die geplante Umgestaltung des Platzes vor dem Café Herzhäuschen nicht begonnen, obwohl der Bebauungsplan längst vorhanden ist:

Unsere Impulse zur Platzgestaltung am Herzhäuschen

Wo alte auf neue Bebauung trifft, ist besonders viel Sensibilität gefragt. Hier entsteht eine Schnittstelle zu den gewachsenen Strukturen Bickendorfs. Uns ist eine hochwertige Gestaltung des öffentlichen Raums besonders wichtig. Daher haben wir als Initiative Künstlerinnen und Künstler in Bickendorf verschiedene Vorschläge gemacht und setzen uns mit den städtischen Verantwortlichen sowie mit der GAG auseinander. Wir sind hoffnungsvoll, dass wir auch hier Impulse für einzigartige und kunstvolle Akzente schaffen können, welche unser Veedel so besonders lebenswert und schön machen. So könnte die Ecke Häuschensweg/Nagelschmiedgasse bald aussehen (Grafiken: Tom Aust):

Versetzte Parkbuchten in der Nagelschmiedgasse bremsen den Verkehr aus. Es wird ruhiger. (Grafik: Tom Aust)

Geteilter Raum

Bereits das Herzhäuschen selbst bremst durch seine Lage den Verkehr aus.

Unsere Initiative Künstlerinnen und Künstler in Bickendorf setzt sich zusätzlich für die Umsetzung einer “Shared-Space-Zone” ein.

Der Bereich der Nagelschmiedgasse / Häuschensweg ist ein neuralgischer Unfallschwerpunkt. Gleichzeitig dominiert hier nichtmotorisierter Verkehr, während motorisierte Verkehrteilnehmer in der Regel Anwohner darstellen. Ein idealer Moment, um alle Beteiligten gleich zu berechtigen, den Verkehr dadurch zu entschleunigen und Menschen dazu zu ermutigen, mehr Platz im urbanen Raum einzufordern.

Zur visuellen Unterstützung schlagen wir vor, den Platz wie auch die Fahrbahn einheitlich zu pflastern und die Fahrbahn durch passende Begrenzungen abzustecken.

Der Fluss der Steine

Geht es nach uns, wird auf dem neuen Platz eine künstlerische Pflasterung entstehen. Diese lädt zum Interagieren und Reflektieren des Ortes ein, hebt ihn aber auch visuell und gestalterisch hervor und trägt zu einer Verbesserung der Aufenthaltsqualität bei.

Dabei ist uns Nachhaltigkeit ein großes Anliegen. Wir regen an, für die Neugestaltung des Ortes zumindest teilweise die alten Ziegelsteine zu verwenden. Altes wird zu Neuem, Dinge haben Bestand und transformieren sich dennoch über die Zeiten hinweg. Der “Fluss der Steine” verdeutlicht das Spiel zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Die Situation heute: Viel Raum für schöne Gestaltung und sinnvolle Verkehrsplanung.

Das Herzhäuschens mit seinen davor angebrachten Stolpersteinen des Künstlers Günter Demnig könnte darüber hinaus auch noch durch eine aus Ziegeln in den Boden gemauerte Linie oder “Straße” symbolisch mit dem Sitz verbunden werden. Diese würde den Zusammenhang mit der Deportation der Familie Herz hervorheben, die über mehrere Generationen in dem Haus lebte.

Die wechselvolle ornamentale Stein-Intarsie soll ebenso wie im ursprünglichen Konzept der GAG Sitzmöglichkeiten in Form von Hockern oder Bänken ausbilden. Im weiteren Verlauf ergießt sie sich organisch in die Normpflasterung des Restplatzes.

Die Spirale als symbolische Alternative

Die Möglichkeit, sich in der Ruhe des Platzes sowohl individuell mit der Geschichte als auch mit dem Nebeneinander von alten Siedlungsteilen und neuer Architektur auseinanderzusetzen, regt Gedanken über soziale Räume und urbanes Miteinander an. Als Variante haben wir ein Objekt erarbeitet, das mit einer runden Basis und mehr geschwungenen und weichen Linien Naturformen aufgreift und die Spirale als vieldeutiges Sinnbild zitiert:

Be-Sitz des Vergangenen

Als weiteres Element soll in der Nähe ein erhöht gemauerter Sitz entstehen. Dieser skulpturartige „Thron“ könnte den Titel „Besitz des Vergangenen“ tragen. Die Doppeldeutigkeit des Begriffspaares lenkt den Blick auf die Chance, aus Verlust Neues zu gestalten. Die spielerisch und mit vielerlei Schmuckfriesen vermauerten Altziegel laden zu einer Auseinandersetzung mit dem Ort, zum Ausruhen und zur Besinnung ein.

Aus einer pyramidenförmigen Basis windet sich spindelförmig eine Stufenfolge empor bis zur eigentlichen Sitzfläche. In die hohe Rückenlehne und die beiden nach vorne gemauerten Seitenlehnen sind kleine und größere Fenster und Durchblicke eingearbeitet, die ausschnitthaft Aspekte der Umgebung zeigen. Sie geben den Blick frei sowohl auf das Herzhäuschen zur Linken und die Neubebauung im Rücken als auch auf den Häuschensweg rechts der Skulptur.

Die Ausblicke wirken wie kleine Bilder und geben so Anstoß, sich mit dem Vergangenen zu befassen, besonders auch mit Bezug zur wechselvollen und teils tragischen Geschichte des alten Hauses.

Im Sitzen wird der Blick nach vorne in die Nagelschmiedgasse und nach oben in die Krone des neben dem Sitz stehenden Baumes gelenkt. So tragen das Baumgrün und die in die Sitzfläche scheinende Nachmittagssonne zum entspannenden und freundlichen Charakter des Kunstwerks bei.

Weiterführendes


Eine Übersicht über alle Zeitungsartikel und Medienberichte rund um das Thema Groten-Gelände und Herzhäuschen finden Sie HIER.